Dieser Brief von Bischoff geht mir nicht aus dem Kopf. Er hat die Schwächen der NAK sowas von klar erkannt und auch benannt, wozu sicher viel Mut
gehörte, denn etwas sehen bedeutet nicht zwangsläufig, es auch auszusprechen. Einfacher ist es, den Mund zu halten. Schon allein dafür hat er meinen
Respekt. Sein Brief ist so voller Idealismus. Er hätte ihn wohl kaum geschrieben, wenn er nicht gehofft hätte, damit etwas bewirken zu können. Am meisten
berührt mich auf S. 3 sein Selbstverständnis, dass Gott in vielen verschiedenen Religionen sein Wort verkündet sowie seine Mahnung zur Demut gegenüber
Andersgläubigen. Diese Zeilen hat ein tiefgläubiger Mensch geschrieben:
Wir sehen nach Offenbarung 7 ausser den Versiegelten noch eine grosse Schar, die auch ihre
Kleider rein gewaschen im Lammesblut und wie hart war man gegenüber Andersgläuben, wie
hat man die oft verdammt; aber man hat nicht bedacht, daß in des Vaters Hause viele
Wohnungen sind und daß der liebe Gott viele Lehrkörper hat auf Erden. – – Er schickt die
Erdbewohner nicht alle zu dem apostolischen Lehrkörper, sondern es sind auch solche, die zu
andern Lehrkörpern gehen um da, je nachdem ihre Fähigkeit ausreicht, zubereitet zu werden.
Ich fürchte, daß einst viele Apostolische werden hinter solchen zurück müssen, weil eben zu
leichtfertig gehandelt wurde. Die wahre Demut besteht ja nicht darin, andere zu verachten,
sondern es besser zu machen, nur so werden wir dahin kommen, daß die Heiden sehen, daß
Gott mit uns ist und aus diesem Grunde werden sie sagen: Lasst uns mit euch ziehen, denn wir
sehen, daß der Herr mit euch ist.
Ich kann seinen Sinneswandel absolut nicht nachvollziehen und es stellt sich die Frage, wie ein Systemkritiker später der obere
Chef des kritisierten Systsems werden kann? Er muss entweder eine innerliche als auch äußerliche Kehrtwendung hingelegt haben
oder er war ein guter Schauspieler. Nun ja, darüber kann man nur spekulieren. Vielleicht hat er auch irgendwann einfach nur kapituliert,
sich angepasst und seine Ideale über den Haufen geworfen. Ich habe es selbst mehrfach beobachtet, dass junge Amtsträger so ein Strahlen
hatten und ihnen die Freude am Dienen ins Gesicht geschrieben war, aber wenn ich sie Jahre später in höheren Ämtern wieder erlebte,
wirkten sie abgeklärt und beinah gelangweilt - schade. Wie auch immer. Dass Bischoff später in einem Anfall von Größenwahn das Kommen
Jesu zu seinen Lebzeiten "prophezeite", ist vor dem Hintergrund dieses früheren Briefes noch unerklärlicher als es ohnehin schon ist.