Jetzt aber back to topic:
Diese Schlußfolgerung ist nicht korrekt. Nur weil die katholische (und orthodoxe und lutherische...) Lehre eine Naherwartung nicht explizit ausschließt, heißt das nicht, daß dort eine Naherwartung in dem Sinne gelehrt würde, wie sie aus der NAK und von den Evangelikalen bekannt ist.Tatyana hat geschrieben:Dann definiere doch mal "Naherwartung" in Abgrenzung zu "enger Naherwartung". Und ich warte immer noch auf eine fundierte katholisch-wissenschaftliche Abhandlung, die deine These untermauert. Der Wortlaut im Kompendium des Katechismus besagt nämlich etwas anderes. Immer noch. Da steht nur, daß Gott allein den Zeitpunkt kennt. Und das schließt eine ganz nahe Naherwartung NICHT aus.
Dazu kommt noch, daß in den genannten Konfessionen die Parusie weniger als ein punktuelles Ereignis sondern vielmehr als ein Prozeß gesehen wird. Deshalb paßt der Begriff Naherwartung dort auch nicht so recht. Dieser macht nur dann Sinn, wenn man versucht, aus der Bibel eine Art (auch zeitlich) exakten "Ewigkeitsfahrplan" abzuleiten.
In jedem römisch-katholischen und lutherischen Sonntagsgottesdienst wird von der Gemeinde gemeinsam das Glaubensbekenntnis gesprochen, meist das Apostolicum, worin es heißt: "Ich glaube [...] an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten. [...]"
Inhaltlich gleichlautend auch das Nicäno-Konstantinopolitanum.
Deshalb ist es schlicht unzutreffend und unredlich, diesen Christen ihren Glauben an die Wiederkunft Christi abzusprechen. Freilich steht in diesen Konfessionen die "Ewigkeitswelt" und die Eschatologie nicht so stark im Mittelpunkt wie in der NAK. Das muß aber nicht unbedingt schlecht sein (siehe Botschaft und andere "Blüten" - z.B. diese).
Zum Schluß noch ein dritter Punkt. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr zweifle ich daran, ob die Eschatologie der NAK überhaupt mit der lutherischen oder katholischen kompatibel sein kann.
Denn letztere lehren eine leibliche Auferstehung der Toten, wie sie auch im NT angedeutet wird. Die NAK scheint sich hingegen das Himmelreich als ein Reich verklärter Seelen vorzustellen. Anders kann ich mir die Sakramentenspendung an Verstorbene nicht erklären, wo diesen doch eine wesentliche Dimension ihres Menschseins - der Leib - fehlt.
Sollte diese Vermutung stimmen, wäre das schon ironisch. Denn das wesentlich neue der christlichen Lehre in der Antike war ihre Leibbezogenheit (weswegen auch bis weit ins 19. Jh. die Feuerbestattung abgelehnt wurde). Eine rein geistig-seelische Ewigkeitswelt konnten sich dagegen auch die heidnischen Griechen und Römer gut vorstellen. So etwas ähnliches war ja der Hades.
Ironisch wäre dies deshalb, weil sich damit die Kirchenabteilung, die sich als die allein von Gott bevollmächtigte Heilsanstalt sieht, am weitesten von den Lehren des Neuen Testaments entfernt hätte.