Werteste Dame -
Sie sind mir gegenüber seit einiger Zeit "sehr kritisch". Das ist einerseits "zu begrüßen". Andererseits komme ich mir manchmal vor wie ein Strafverteidiger, der einen Angeklagten verteidigt und dann bzw. deshalb mit einem gewissen Unterton gefragt wird, ob er etwa Verständnis für die Taten hat, die dem Angeklagten vorgeworfen werden, oder ob er diese Taten als nicht so schlimm ansehen oder sie sogar billigen würde.
Zu Ihrer Frage, was ich "(euch) sagen will": Wenn ich einmal so antworte, wie Sie seit einiger Zeit auf mich reagieren, dann würde die Antwort so aussehen:
Da Sie (tergram) - soweit ich sehe - noch keine Einträge zu den nationalen und internationalen Finanzskandalen gemacht haben, aber hier mehrere Einträge über die fragwürdige und verlustreiche Brinkmann-Investition eingestellt haben, wollte ich Sie fragen, ob Sie die Zocker-Geschäfte der Banker auf den internationalen Finanzmärkten und die Gefährdungen ganzer Staaten und Bevölkerungen als "nicht so schlimm" ansehen.
Aber das schreibe ich selbstverständlich nicht!
Aber dies schreibe ich schon:
Erstens: Ich habe zu Fragen "Kirchen, Glauben und Kritik" eine andere Haltung als viele Kritiker der NAK. Das gilt aber nicht nur für Kritik an der NAK. Das gilt generell für Kritik an Kirchen und Kritik am Glauben anderer Menschen. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich sehe, dass diese Aussage problematisch ist; sie würde falsch verstanden, wenn man meinte, ich wäre gegen Kritik; mir geht es "nur" um die Art und Weise der Kritik und um die "Verfassung der Kritiker". Hier habe ich einen Verdacht: Ich vermute, dass manche oder sogar viele Kritiker der NAK unbewusst eine große oder tiefe Sehnsucht nach einer "heilen NAK" haben und ihre Kritik an der realen Kirche unbewusst im Blick auf ihr Ideal vortragen. Sie kritisieren die konkrete Kirche, weil sie nicht so ist, wie sie eine ideal gedachte Kirche gern hätten. Dieser Wunsch nach einer idealen Kirche könnte Ausdruck eine gewissen unaufgeklärten Wahrnehmung der Wirklichkeit sein: man könnte auch von Naivität sprechen. Oder von einem psychologisch erklärbaren übergroßen Bedürfnis nach Geborgenheit. Ich persönlich glaube, dass das in einigen Fällen so ist.
Zweitens: Ich glaube, dass manche Kritiker auch anderenorts Probleme hätten. Anders gesagt, ich glaube nicht, dass bei einigen Personen Probleme immer erst durch die Kirche (hier NAK) entstanden sind, sondern ich glaube, dass es bei diesen Personen Probleme schon vorher gab bzw. generell - also auch außerhalb der Kirche - gibt.
Drittens: Ich glaube, dass manche Kritikerinnen und Kritiker der NAK anders reden würden, wenn sie ein einflussreiches Amt in der NAK hätten. Ich stelle mir manchmal vor, dass es Kritikerinnen gibt, für die das Amt einer "Apostelin" in der NAK ein Lebenstraum ist bzw. war. Als Apostelin das Abendmahl mit einem richtigen Essen feiern, bei dem alle satt werden - das ist das richtige Liebesmahl.
Viertens: Ich weiß nicht, wie ich mich zu Fragen "Kirchen, Glauben und Kritik" positionieren soll. Ich bekenne hier eine gewisse Ratlosigkeit. Mein Wunsch ist: Ich würde über die NAK gern so reden, wie in der seriösen konfessionskundlichen Literatur über die NAK gesprochen wird. Ohne Polemik. Ohne Hohn. Ohne Spott. Ohne Vorwürfe. Ohne fortwährende Hinweise darauf, dass vor Jahrzehnten in irgendwelchen Kirchenblättern dieser und jener Unsinn stand. Ich würde über die NAK auch gern so reden können, dass positive Aussagen bei Kritikern nicht immer gleich als Verteidigung, sondern lediglich als Beschreibung der Wirklichkeit wahrgenommen werden, und auch so, dass negative Aussagen bei den Oberfrommen nicht immer gleich zu Glaubensinfarkten führen.
Aber - so "riesig groß" ist mein NAK-Interesse auch wieder nicht. Eigentlich interessiert mich "die ganze Geschichte" aus biographischen Gründen eher am Rande, und gemessen daran, bin ich hier viel zu viel beteiligt.
So ungefähr - lesen Sie alles mit Vorbehalten und bleiben Sie mir gegenüber kritisch.
Und seien Sie herzlich gegrüßt!
Ihr Heinrich C.
PS: Zur zitierten Römerbrief-Stelle noch dies:
http://www.friedensseminar.de/download/ ... uejahr.pdf