Bischoff-Botschaft - Zeitzeugenberichte

Alles rund um die Sondergemeinschaft Neuapostolische Kirche (NAK), die trotz bedenklicher Sonderlehren (u.a. Versiegelung, Entschlafenenwesen mit Totenmission, Totentaufe, Totenversiegelung und Totenabendmahl, Heilsnotwenigkeit der NAK-Apostel, Erstlingsschaft, ..), weiterhin "einem im Kern doch ... exklusiven Selbstverständnis", fehlendem Geschichtsbewusstsein und Aufarbeitungswillen, speziell für die Zeit des Dritten Reiches, der DDR, der Bischoffs-Botschaft ("... Ich bin der Letzte, nach mir kommt keiner mehr. ..."), sowie ihrer jüngsten Vergangenheit und unter erheblichem Unmut ehemalicher NAK-Mitglieder, auch Aussteiger genannt, die unter den missbräuchlichen Strukturen und des auf allen Ebenen ausgeprägten Laienamtes der NAK gelitten haben, weiterhin leiden und für die die NAK nach wie vor eine Sekte darstellt, im April 2019 als Gastmitglied in die ACK Deutschland aufgenommen wird.
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Magdalena

Bischoff-Botschaft - Zeitzeugenberichte

#1 Beitrag von Magdalena » 25.07.2011, 09:17

Vorwort von centaurea:
Hier können Berichte aus der Zeit der Botschaft von J.G.Bischoff und ihrer Nichterfüllung eingestellt werden.

Eine Kommentierung findet in diesem Thema nicht statt.

Dies findet im Thema "Austausch zu Zeitzeugenberichte" statt.

Es soll eine reine Berichtsammlung aus der Sicht der Betroffenen sein.

Wer hier im Forum nur liesst, kann seinen Bericht gerne per eMail an webmaster@glaubensforum24.de senden.
Dazu ist dann aber die Angabe des kompletten Namens und der Adresse notwendig. Diese Angaben werden selbstverständlich nur mit den Initialen (z.B. "A.P. aus N.") veröffentlicht.


Auch ich "darf" mich zur Zeitzeugenwolke zählen! 1960 war ich gerade 13 Jahre alt. Meine Familie und auch ich waren 100%ig von der "Botschaft" überzeugt. Da wir auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs lebten, bekamen wir kaum bzw. gar nichts davon mit, dass es auch Kritik an dieser so "einmaligen Botschaft" geben könnte.

Als der "große" Bischoff dann gestorben war, konnten wir es nicht fassen, was da geschah! Doch die "treuen Gottesknechte" bauten uns sofort wieder auf, und weiter ging es mit dem Josua unserer Zeit: Walter Schmidt. Wir kamen gar nicht zum Nachdenken; ich weiß nicht, was man alles so in uns reingehämmert hat, aber es hat seinen Zweck erfüllt, wir blieben bei der Stange und schauten bedauernd aber auch abwertend auf die wenigen Geschwister, die nun die Arche des neuen Testamentes verließen. Es waren in meiner Umgebung nicht viele, aber ich bekam mit, wie Risse mitten durch die Familien gingen und man mit diesen "Abgefallenen" nichts mehr zu tun haben wollte und auch nicht durfte.

Ich erinnere mich an eine öde und außergewöhnlich langweilige Gottesdienstzeit. Damals brachte ich es fertig, tatsächlich im Beisein meines Vaters (Priester) Kritik an dem "Worte Gottes" zu üben! Das war in den 60er Jahren schon eine satte Leistung - zumindest im Osten Deutschlands! Aber trotz allem war ich immer noch fest davon überzeugt, dass uns der "Josua" bald in den Hochzeitssaal führen würde.

Wenn ich dann den Link lese, den shalom eingestellt hat (CiD), dann kommt mir der kalte Kaffee wieder hoch - es ist einfach nicht zu glauben, was man damals alles geglaubt hat und wie man manipuliert wurde!
Da kann ich nur sagen: GOTT SEI DANK, dass er uns davon befreit hat, zumindest erstmal innerlich.

Magdalena

Re: NAK-Geschichte Teil 2

#2 Beitrag von Magdalena » 25.07.2011, 11:44

Wenn ich auch schon etwas über diese Zeit geschrieben habe, so bin ich doch gern bereit, noch Weiteres beizusteuern.

Meine Eltern fuhren in der Bischoff-Ära manchmal nach Berlin-West zu den großen Gottesdiensten mit dem "Stammapostel". Damals gab es die Mauer noch nicht, man konnte zwischen Ost und West pendeln. Ich erinnere mich noch an Berlin-Treptow, da spazierten wir in der Nähe der Kirche von Ost nach West. Das war für mich als Kind sehr interessant. Zu den Gottesdiensten mit Bischoff durfte ich nicht mit; für Kinder gab es keine Karten, jedenfalls nicht für mich. Das war für mich ganz schrecklich; wie gerne hätte ich den "vornehmsten Knecht" Gottes mal von Angesicht gesehen! Es war mir nie vergönnt! Dafür kann ich mich noch an die Begeisterung meiner Eltern erinnern! Wie waren sie gerührt, bewegt und voller Freude, diesen Stammapostel erlebt zu haben! Er muss ein besondere Ausstrahlung gehabt haben. Natürlich wurde das auch alles hochgepuscht durch seine treu ergebenen Nachfolger. Im Nachschauen erinnert mich das Ganze an eine fatale andere Personenverehrung ein paar Jahre davor.... Dieser konnte mit seinen Leuten auch machen, was er wollte .. befiehl, wir folgen dir!

Ich kann mich auch an Gottesdienste erinnern, in denen die Bibel als altes, trockenes Brot von gestern bezeichnet wurde und nur das Wort aus dem Apostelmund frisches Brot für uns bedeutet. Sogar mein Vater hat so gepredigt!, obwohl er nicht zu den ganz harten Hardlinern gehörte.

Es war streng verboten, jedwede Literatur von West nach Ost mitzunehmen. Mein Vater hielt sich auch strikt daran; er war sehr gehorsam...
Andere nicht, was ich als toll empfand, denn dadurch konnten auch wir mal eine "Familie" oder was noch viel interessanter war, einen "Familienkalender" lesen. Die gingen durch die Gemeinde, natürlich unter strengster Geheimhaltung und auch nur an "Auserwählte"; es war nicht ungefährlich, damit erwischt zu werden in der DDR. Zum Schluss waren diese Zeitschriften total zerfledert vom vielen Lesen. (Vor einiger Zeit habe ich alle Literatur, alle! vom VFB entsorgt!!!)

Aber keiner von denen, die ich kenne, hat damals auch nur ein einziges Blättchen oder Büchlein aus einer anderen christlichen Richtung gelesen. Es gab in der DDR in größeren Städten auch winzige evangelische oder katholische Buchläden. Da bin ich z. B. erst kurz vor der Wende mal "schnuppern" gegangen. Nicht mal eine christliche Geburtstagskarte oder dergleichen hat man dort gekauft! Nur was vom VFB kam, das war koscher, alles andere wurde misstrauisch beäugt und dann verworfen.

Für heute muss ich Schluss machen, wenn einer Fragen hat, ich antworte gern. Es gibt noch einiges zu erzählen, aber nur wenn Ihr es wollt.

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Andreas Ponto
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Re: Bischoff-Botschaft - Zeitzeugenberichte

#3 Beitrag von Andreas Ponto » 25.07.2011, 12:31

Kristallklar hat geschrieben:
Guten Abend,
erst mal zu meiner Person, ich bin weiblich und ein ehemaliges "Gotteskind" und aus der NAK ausgetreten, nachdem ich für mich ihre Lehre und ihre Grundsätze als falsch erkannt habe.

Das, was ich dazu sagen möchte ist (m)eine Sicht der Dinge, die Sicht mit Augen eines Außenstehenden, der allerdings über das angeeignete Wissen verfügt, wie was in der NAK so abläuft.

Ich bin in dem Jahr geboren, als J.G. Bischoff starb und habe bereits als kleines Kind an den Folgen mitgetragen, die die Nichterfüllung seiner "göttlichen Eingabe" angerichtet hat. Viel, sehr viel Leid hat es denen gebracht, die zurückgeblieben sind und damit fertigwerden mussten. Vor allem die, die während der Zeit der "Botschaft" und nachdem sie sich nicht erfüllte, unter teilweise schlimmsten Bedrängungen ausgeschlossenen und verstoßen wurden.

Die Nachherrschaft der verbliebenen "Getreuen" hat das Leiden dieser Mitglieder nicht gelindert, aufkommende Fragen nicht beantwortet und durch das sture "Wir schweigen" bis heute alles in einer schlimmen seelischen Zerissenheiten belassen, niemals, bis heute nicht, kommen Erklärungen, Abbitten an immer noch Betroffene.

...

Kristallklar

tergram

Re: Bischoff-Botschaft - Zeitzeugenberichte

#4 Beitrag von tergram » 25.07.2011, 16:32

Ich war beim Tod J.G. Bischoffs noch ein Kleinkind, erinnere mich aber deutlich an große Trauer und Bestürzung in der Familie und dem Freundeskreis meiner Eltern. Es gab in den Tagen danach Treffen von vielen Geschwistern in unserem Haus, es wurde dabei oft geweint, soviel bekam ich mit. Meine Eltern fuhren in dieser Zeit zu mehreren Gottesdiensten, an denen Kinder nicht teilnehmen durften, ich wurde daher bei den Nachbarn "geparkt". Irgendwann hängte mein Vater das Bild von Herrn Bischoff im Esszimmer ab und ersetzte es durch einen neuen gütig lächelnden älteren Herrn mit der Erklärung, das sei nun der neue Stammapostel, Walter Schmidt. Die Welt war wieder in Ordnung - so mein kindlicher Eindruck.

In den Folgejahren erlebte ich die NAK der 60-er Jahre mit ihrer sektentypischen Abgewandheit von "der Welt" und der Verteufelung alles Irdischen. Meine Erfahrungen decken sich dabei im Wesentlichen mit denen anderer Zeitzeugen. Der Druck war groß, man wurde ständig kritisch beobachtet, die soziale Kontrolle war extrem ausgeprägt.

Ich litt als Kind häufig unter der großen Angst, Jesus könnte wiedergekommen sein und mich - da ich eine Sünderin war - elternlos zurückgelassen haben. Die Gottesdienste inklusive "Sonntagsschule" schienen mir endlos lang und stets sehr ernst. Es wurde ständig von der nun unmittelbar bevorstehende Wiederkunft Jesu gesprochen, was konkrete Auswirkungen auf die Lebensplanung (Schule, Studium, Heirat, Beruf) vieler Mitglieder hatte.

Geschwister wurden aktiv dazu aufgefordert, beim abendlichen Spaziergang darauf zu achten, ob aus den Fenstern von Mitgeschwistern ein geheimnisvolles blaues Flackern zu sehen sei, was auf die Anschaffung eines (verteufelten) Fernsehers hindeutete. Auch meine Eltern erhielten eine Heim(be)suchung zur Kontrolle - hatte doch jemand ein seltsames Licht gemeldet. Die Spannung löste sich erst, als mein Vater die UV-Lampe seines großen Aquariums einschaltete, was das blaue Licht aus unserem Haus als harmlos erklärte... Man mag sowas heute nicht mehr glauben, aber genau so war es. Diese Beispiele liessen sich endlos fortsetzen.

Meine Zeit verbrachte ich überwiegend in der Kirche: 2 Gottesdienste am Sonntag, der Wochengottesdienst, dazu Gemeindechorproben, Jugendchorproben, Jugendstunden, Kirche putzen, Orchesterproben, Blumenschmucksamstage, Besuche bei alten und kranken Geschwistern in Krankenhäusern und Altenheimen - ich weiss heute nicht mehr, wie wir das alles zuwege gebracht haben. Das alles unter andauernder Kontrolle und hohem psychischen Druck.

Nach meiner Erinnerung war Herr Streckeisen der erste Stammapostel, der auch als Mensch wahrzunehmen war und nicht die Aura eines unnahbaren Heiligen verbreitete. Mit Herrn Urwyler, den ich sehr geschätzt habe, kam erstmals ein zarter Hauch Liberalisierung auf - man konnte plötzlich durchatmen und mir schien, als hätten auch viele AT Änderungen herbeigesehnt.

Von der Bischoff-Botschaft und ihren dramatischen Folgen erfuhr ich in der Kirche nie etwas. Das Thema wurde eisern totgeschwiegen. Gelegentlich schnappte ich in Gesprächen den Namen "Kuhlen" auf, der als "Verräter am Stammapostel" und "abgefallen" galt. Man setzre ihn mit Satan selbst gleich, der ja auch ein abgefallener Engel gewesen sei... Noch in den 80-er Jahren war der tiefe Riss der Spaltung auch in unserer Familie ein hochbrisantes Thema - man mochte sich von Seiten der NAK-Mitglieder nicht einmal bei großen Familienfeiern gemeinsam in einem Raum mit den "Verrätern" aufhalten.

Erst im Internet habe ich etwa ab dem Jahr 2000 über die Hintergründe und Folgen der Botschaft erfahren - rund 40 Jahre nach Bischoff's Tod. Mit der bekannten Aussage von Herrn Dr. Leber zu diesem Thema war für mich klar, dass diese Kirche nicht mehr mein geisliches Zuhause sein könnte, ich trat kurz darauf aus.

Empörend finde ich die seitherigen Aussagen mehrerer leitender Mitarbeiter der NAK, dass die Auswüchse der vergangenen Jahrzehnte nur "bedauerlich Einzelfälle übermotivierter untergeordneter ATs" gewesen seien, niemals jedoch Sinn und Inhalt von Predigten. Diese Aussagen diffamieren und verhöhnen Tausende gläubig und glaubensgehorsam nachfolgende Mitglieder und Amtsträger, die in bester Absicht, vollkommener Überzeugung und ehrenamtlich für diese Kirche tätig waren.

Die Kirchenleitung der NAK immer und immer wieder daran zu erinnern, ist mir auch daher ein wichtiges Anliegen.

Maximin

Re: Bischoff-Botschaft - Zeitzeugenberichte

#5 Beitrag von Maximin » 25.07.2011, 17:43

Die Katastrophe (Teil 1)

Am Mittwoch, dem 6. Juli 1960, stirbt der greise Stammapostel Johann Gottfried Bischoff entgegen seiner angeblich göttlichen Offenbarung, in seinem 90ten Lebensjahr, in einem Krankenhaus in Karlsruhe, doch. Von den rd. 500.000 Neuapostolischen Gläubigen erfahren in den folgenden Tagen von diesem Ereignis nur eine eingeweihte handvoll Leute. Sie beerdigen seine Leiche im engsten Kreis und in aller Stille.

Das ändert sich zwangläufig am darauffolgenden Sonntag, dem 10 Juli 1960. Mutter und wir drei Söhne waren an diesem Sonntag nicht im Gottesdienst. Dann kam unser Vater, Evangelist in der Gemeinde Berlin-Neukölln, Flughafenstraße, Neukölln I, heute eine türkische Begenungsstätte, nach Hause. Unsere Mutter bereitete gerade das Mittagessen vor und ich half ihr dabei.

Vater kam in die Küche und sagte mit Tränen in seinen Augen: „Ich muss euch etwas sagen. Unser Stammapostel ist heimgegangen.“ Es gab in meinem ferneren Leben nur wenige Nachrichten, die mir so unbegreiflich nahe gingen wie diese. Meine Eltern umarmten sich. Sie weinten beide und ich stand fassungslos daneben.

Schließlich sagte Mutter: „Ich habe es ja immer gesagt. Er wird doch sterben und nach ihm werden noch weitere Stammapostel kommen und gehen.“ Für den Rest dieses Sonntags legte sich eine ratlose Stille über unsere Familie.

Ich war gerade mal 4 Monate konfirmiert und, wie mir gesagt wurde, ab nun für mein Glaubensleben selber verantwortlich. Natürlich hatte ich verinnerlicht, das unser geliebter Stammapostel „JGB“ die Zusage erhalten hatte, dass Jesus zu seiner Lebenszeit wiederkommen würde, um uns alle zu sich zu holen, bevor auf Erden das große Elend ausbrechen würde. In den nachfolgenden Stunden dachte ich: „Jetzt kommt Jesus gleich.“ Das war eine innere Anspannung, die ich nicht näher beschreiben kann.

Jesus aber kam nicht. Nicht an diesem Sonntag und auch nicht in der nachfolgenden Woche. Es kam aber etwas ganz anderes. Was kam, das waren Erinnerungen. Erinnerungen an Gottesdienste, in denen es eigentlich nur noch um die sogenannte Botschaft des „JGB“ mit der baldigen Heimholung ging.

Ich hatte mir darüber ein geistiges Bild geschaffen: Du stehst auf dem Balkon, die Himmel reißen auf, du schaust nach oben und plötzlich erscheint Jesus am Firmament und ruft alle, die ihm angehören, zu sich. Zu diesem Bild gesellte sich aber für einen pubertierenden jungen Mensch wie mich stets die bange Frage: „Bin ich dabei? Bin ich würdig? Oder bleibe ich mutterseelen alleine im kommenden Elend zurück?"

Maximin + + +

(Fortsetzung folgt)

Maximin

Re: Bischoff-Botschaft - Zeitzeugenberichte

#6 Beitrag von Maximin » 26.07.2011, 12:12

Die Katastrophe - Eine Botschaft und ihre Folgen (Teil 2)

1951, sechs Jahre nach dem Ende des II. Weltkrieges, wurde den Neuapostolischen die Botschaft des Stammapostels Johann Gottfried Bischoff bekannt gemacht, dass die Wiederkunft Jesu zu Lebzeiten dieses Stammapostels stattfinden würde.

Damals war ich 6 Jahre alt und habe nicht mitbekommen, was diese Nachricht innerhalb der NAK und außerhalb von ihr auslöste. Mein Vater war 1951 schon Priester. Was ich hingegen mitbekam war, dass es zwischen Vater und Mutter zu diesem Thema Auseinandersetzungen gab.

Unser Vater glaubte der Botschaft, unsere Mutter eher nicht. Vier Jahre später wurde eine neue Gemeinde gegründet und unser Vater ihr Vorsteher. Inzwischen war ich 10 Jahre alt geworden und ich begann, den Erwachsenen aufmerksamer zuzuhören. Ich erinnere mich ziemlich genau daran, dass es im abendlichen Beisammensein im Geschwisterkreis zu zum Teil hitzigen Debatten kam. Muss man dem Stammpostel glauben oder nicht...?

Was ich noch mitbekam war, dass meines Vaters Gemeinde regen Zulauf hatte. Viele Geschwister aus den umliegenden Nachbargemeinden kamen lieber in seine Gottesdienste. Mehrmals im Jahr gab es Neuaufnahmen und Besuche des Apostels, der die „Neuen“ versiegelte.

Nicht nur das. Einige wenige Vorsteher der Nachbargemeinden neideten meinem Vater seinen sichtbaren Erfolg. Mutter erzählte mir, dass man unseren Vater verdächtigte, sich mit seiner Gemeinde selbstständig machen und sich den Leuten um den Apostel Peter Kuhlen anschließen zu wollen.

Diese hintergründig entfachte Hetzjagd endete damit, dass die Bezirksleitung meines Vaters Gemeinde 1959 schloß und die rd. 200 Gemeindemitglieder auf die umliegenden Gemeinden verteilten. Vorgetragenen Protesten beggegnete die Bezirksleitung nach einem Gottesdienst mit der offenen Drohung. „Wenn ihr die getroffene Entscheidung nicht annehmt, dann entziehe ich euch den Segen.“

Unser Vater schwieg und fügte sich glaubensgehorsamst. Mutter fühlte sich darin bestätigt, dass die NAK nicht Gottes- sondern Menschenwerk ist. Und ich, inzwischen 14 Jahre alt, stand einigermaßen ratlos dazwischen und bereitete mich auf meine Konfirmation vor.

Im Jahre 1959 durfte ich erstmals in die Berliner Deutschlandhalle zum Stammapostel-Gottesdienst mitgehen. Als es zum Abendmahl ging, da fiel ich ohnmächtig um.Das alles war für einen mitten in der Pubertät steckenden jungen Mensch wie mich wohl doch ein bischen zu viel.

Wenn ich meine Erlebniss zwischen 1951 und 1960 im Nachhinein überdenke, dann habe ich folgenden Gesamteindruck behalten:

• Eine unglaubliche Anspannung darüber, dass der HERR täglich wiederkehren könnte und man sich nicht sicher sein darf, ob man zu den Auserwählten zählen würde.
• Endlose Streiterein in den Familien und, hinter vorgehaltenen Händen auch in der Gemeinde, ob man dem Stammapostel glauben dürfe oder nicht.
• Misstrauen gegenüber allen, die dieser Botschaft erkennbar nicht glaubten, aber trotzdem in der Gemeinde blieben, jedoch von den anderen höchst misstrauisch beäugt und belauert wurden

Insbesondere nach dem Tod des „JGB“ schlich ich mich, mit schlechtem Gewissen, in die Amerika Gedenkbiliothek nach Berlin-Kreuzberg, Abteilung Religion. Dort fand ich das Buch von einem Ev. Theologen namens Kurt Hutten mit dem Titel: „Seher, Grübler, Entusiasten“. Hutten beschrieb darin u. a. die Entwicklung der Katholisch-Apostolischen Kirche und die der NAK.

Je mehr ich da las, um so schwindeliger wurde mir. Natürlich hatten diese meine geheimen Nachforschungen Folgen. Welche? Unsicherheit, schlechtes Gewissen und heftige Zweifel.

Das Schlimme dabei aber war, dass ich mich mit niemandem darüber so richtig aussprechen konnte. Was mir bis auf Weiteres blieb war, dem neuen Stammapostel Walter Schmidt zu folgen, der den Gemeinden sagte „Wir schweigen und gehen unseren Weg in treuer Nachfolge weiter.“

Maximin + + +

(Fortsetzung folgt)

hans
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Re: Bischoff-Botschaft - Zeitzeugenberichte

#7 Beitrag von hans » 26.07.2011, 19:01

Nun Maxi, so war es. Ich war und komme aus einer Gem. mit ca. 600 - 700 aktiven GD- Bsuchern. Meine Vater führte das Gemeindebuch mit den entspr.Daten, die Dir alle bekannt sind.Es kam 1960, Verlesung nach dem GD, wir als Konfa-Kinder,na ja, plötzlich setzen sich über die Hälfte der Gemeindemitglieder hin, weinen,umarmen sich. Ich als Kind und andere, wa denn nun. Kinder hören doch nicht hin, wenn nach em Gd noch etwas gesagt wird. Beim Hinausgehen war alles anders. Der nächste Sonntag war irgenwie komisch, aus der Erinnerung heraus. Die Gemeinde, Kirche, war nur noch die Hälfte. Meine Freunde,Freundinnen aus der Sonntagsschule waren weg, nicht alle, aber viele. Als Kind in der Kirche war alles komisch danach. Meine Eltern,hatten keine Antwort. Im Rückblick,aus heutiger Sicht, was sollten sie uns Kindern auch sagen. Wir als Kinder hatten Glück mit unserer Mutter, Du ja auch Michael.
Dein Vater lebte seiner Überzeugung und wer zuhörte, wußte, er war nicht nur Evangelist, er ist Evangelist. Einige wenige Gedanken meiner Mutter, die sie, und Kindern vermittelte.
Du weißt, ich kann mich lebhaft an Deinen Vater und Ev. erinnern. Er wußte auch in einem Nachmittaggd., vor Beginn, die ATs zu begeistern.Nicht alle, aber er war wie vormittags. Aus der Erinnerung heraus wird manches schöner, aber hätten wir heute solche, wäre manche Fusion uns erspart geblieben. Grüß Deine beiden Brüder mal aus alten Zeiten;Bürknerstr./ damals Dotmunder.PS: Drück das Private raus über den Verantwortlichen hier.
War eine gute Zeit.In diesem Sinne..........

Magdalena

Re: Bischoff-Botschaft - Zeitzeugenberichte

#8 Beitrag von Magdalena » 27.07.2011, 09:01

Allen hier Schreibenden kann ich nur bestätigen, dass ich es genau so oder so ähnlich erlebt habe. In meiner Erinnerung fehlen aber die von einigen erwähnten Streitgespräche unter den Geschwistern. Daran kann ich mich nicht erinnern, das gab es wohl bei uns auch nicht. Dafür gab es sonntägliches Beisammensein im Geschwisterkreis. Allerdings muss ich sagen, das war auch nur ein "erwählter" Kreis. Wir waren alle miteinander irgendwie verwandt, ich stammte aus einer "Segenslinie". Diese Sonntagsabend-Zusammenkünfte waren für mich als Kind sehr schön. Es wurde gesungen, man hat sich unterhalten, vor allem über die "Botschaft", das baldige Kommen des Herrn. Es wurde darüber diskutiert, ob man sich dieses und jenes noch anschaffen sollte, u. a. war der neue Hut einer Tante Gesprächsstoff - noch kaufen oder nicht, wenn doch der Herr bald kommt...
Es war ein schöner Zusammenhalt aber eben nur unter den Auserwählten. Nicht mal alle Geschwister verkehrten in diesen speziellen Kreisen. Sicherlich gab es auch in den Wohnungen der Amtsträger nicht genug Platz, alle unterzubringen. Aber ich kann mir schon vorstellen, wie der eine oder andere neidisch auf solche Zusammenkünfte geblickt hat ...
Wir kümmerten uns damals nur um uns, um die Geschwister, luden passende Gäste ein und hörten in jedem Gottesdienst - immer das Gleiche.

Und eines fehlte, es fehlte absolut!!! In diesem Forum aber in ein anderen Thread hat es einer erwähnt: Es wurde von der Botschaft gesprochen, dass der Herr bald kommt, das wir bereit sein müssen, dass wir dieses und jenes nicht tun dürfen. weil der Herr uns dann nicht mitnimmt (dabei ging es immer nur um natürliche Dinge wie Kino, Tanzen, Freunde in der Welt usw.), viele Brüder gaben das Rauchen auf ..

Was fehlte? Es fehlte das Evangelium, es fehlte Jesus Christus!

ER war absolute Nebensache und wurde gerade mal zu passenden Feiertagen erwähnt! Bergpredigt? Ich weiß nicht, ob sie einer von den NAKis damals je gelesen hat. Ach ja doch: Ein Satz wurde oft herausgepickt: Ihr seid das Licht der Welt (siehe auch CM 66 "Apostelamt, der Kirche Licht") Es wurde sowieso (und wird leider immer noch) das herausgepickt, was zur Lehre passt, was nicht passt, wird nicht erwähnt.

Nächstenliebe einfach so - ohne missionarischen Hintergrund? Konnteste vergessen (heute übrigens auch noch, oft, zu oft!)
Dafür wurde ein Grund des Hierbleibenmüssens klar und deutlich aus Apostelmund hörbar: Unordnung in der Wohnung, unabgewaschenes Geschirr, ungemachte Betten vor Verlassen der Wohnung usw.

Für heute soll es genügen zu diesem Thema. Abschließend muss ich wieder sagen: GOTT SEI DANK, der mir die Augen geöffnet hat; dankbar bin ich, dem NAK-Gott entronnen zu sein und nun einen mich liebenden, mich unbegrenzt verstehenden Gott kennen gelernt zu haben, ohne Angst und Zittern und doch voller Ehrfurcht und Anbetung!

Adler

Re: Bischoff-Botschaft - Zeitzeugenberichte

#9 Beitrag von Adler » 27.07.2011, 19:06

Aus meinen Kindertagen in der NAK, in der Zeit vor dem Tod von JGB, ist mir noch in lebhafter Erinnerung, dass es auch diejenigen Dienstleiter gab, welche die Botschaft nicht verkündeten, sondern sich in ihren Predigten vom heiligen Geist leiten ließen. Diese DL wurden (wenn es noch harmlos verlief) von Mitgliedern unterbrochen, welche laut riefen: "Wir wollen die Botschaft hören!"

Es wurden auch einige dieser DL von aufgebrachten Mitgliedern und Amtsträgern vom Altar gezerrt, wenn sie die Botschaft nicht fortwährend predigten. Es ging sogar soweit, dass Mitglieder den GD solcher DL boykottierten oder aber diese DL am betreten der Kirche hinderten.

Ich habe es auch erleben müssen, dass Kinder an den Altar geholte wurden und ihnen dann von den JGB-Treuen, zugeflüstert wurde, was sie "predigen" sollten, um so zu demonstrieren, dass die Botschaft göttlichen Ursprungs sei und der "heilige Geist" dies auch durch Kindermund bekunde.

Nach dem Tod JGB gab es auch in meiner Familie viele heftige Streitgespräche, zumal über freundschaftliche Verknüpfungen, eine enge Verbindung zum Hause eines der exkommunizierten Apostel bestand.

Da ich zu der Zeit noch nicht ganz religionsmündig war und meine Familie sich zu dem "neuen" STAP hielt, blieb auch ich in der NAK.

Die freundschaftlichen Bindungen zerbrachen in der Folgezeit mehr und mehr, ja es wurde sogar oft nur noch voller Hass, von den "Abgefallenen" gesprochen.


LG Adler

Maximin

Re: Bischoff-Botschaft - Zeitzeugenberichte

#10 Beitrag von Maximin » 28.07.2011, 13:13

Die Katastrophe – Eine Botschaft und kein Ende (Teil 3)

Nach dem Tod des Johann Gottfried Bischoff herrschte in den Berliner Gemeinden zunächst eine große Ratlosigkeit. Viele verließen die Gemeinden, die meisten aber blieben. Als der Bezirksapostel Walter Schmidt (Dortmud) als sein Nachfolger ausgerufen wurde, da habe ich meinem Vater gesagt: „Das ist für mich kein Stammapostel“. Mein Vater schwieg. Ob bewusst oder unbewusst bzw. von der Bezirksleitung inzwischen gebrieft, verhielt sich mein Vater linientreu: „Wir gehen schweigend und unbeirrt unseren Weg weiter.“

Warum die „sogenannten“ treuen Gotteskinder sprachlos in den Reihen sitzen blieben, das weiß ich bis heute nicht zu erklären. Ich schwieg nicht. Nur, wem sollte man sich mit seinen Zweifeln anvertrauen? In den Jugendstunden machte ich meinem Herzen Luft. Half aber nix und mir keinen Schritt weiter.

Bis zu seiner Zurruhesetzung am 15. Februar 1975 versuchte dieser Mann in unzähligen Gottesdiensten den „Laden“ zusammen zu halten. Im Grunde waren es Durchhalteparolen, die bei mir nicht dadurch glaubhafter wurden, je öfter sie den Leuten in den Reihen gepredigt wurden.

Walte Schmidt versuchte an die Stelle der früheren Botschaft eine neu zu setzen wenn er sich auf Offenbarung 14 berief: „14 Und ich sah, und siehe, eine weiße Wolke. Und auf der Wolke saß einer, der gleich war einem Menschensohn; der hatte eine goldene Krone auf seinem Haupt und in seiner Hand eine scharfe Sichel. 15 Und ein andrer Engel kam aus dem Tempel und rief dem, der auf der Wolke saß, mit großer Stimme zu: Setze deine Sichel an und ernte; denn die Zeit zu ernten ist gekommen, denn die Ernte der Erde ist reif geworden16 Und der auf der Wolke saß, setzte seine Sichel an die Erde und die Erde wurde abgeerntet.“ (Luther 1984)

Das war von 1960 bis 1975 die zentrale Botschaft in der NAK. Um die an eine irdische Person gebundene Naherwartung zu vermeiden, wurden die „getreuen“ Gotteskinder aufgefordert, den Herrn täglich zu erwarten und jeden Tag um die Verkürzung der Frist zu bitten. Dass damit die Last der nicht eingetroffenen Botschaft des JGB auf den einzelen Gläubigeh in den Reihen verlagert wurde, das dürften nur wenige bemerkt haben.

Bei meinen (geheimen) Nachforschungen in der Kreuzberger Amerika Gedenkbibliothek, Religionsabteilung, wurde mir erklärt, dass die NAK eine auf Irrtum und falschem Schriftverständnis aufgebaute Sekte ist. Parallel dazu traktierte man mein Gewissen in den Gottesdiensten mit gewissen Schriftstellen. Für Interessierte hier einige wenige Beispiele:

Habakuk 2, 3: „Die Weissagung wird ja noch erfüllt werden zu ihrer Zeit und wird endlich frei an den Tag kommen und nicht trügen. Wenn sie sich auch hinzieht, so harre ihrer; sie wird gewiss kommen und nicht ausbleiben.“

2. Petrus 3, 9: „Der Herr verzögert nicht die Verheißung, wie es einige für eine Verzögerung halten; sondern er hat Geduld mit euch und will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass jedermann zur Buße finde.“

Solche Schriftstellen sollten den Leuten Mut machen, um still, vertrauensvoll und ohne zu hinterfragen bis zum Endsieg durch zu halten. Meine (heimlichen) Schriftstudien sagten mir aber etwas anderes. Was denn? Beispielweise das hier:

1. Thessalonicher 5, 19 - 24:
„19 Den Geist dämpft nicht. 20 Prophetische Rede verachtet nicht. 21 Prüft aber alles und das Gute behaltet. 22 Meidet das Böse in jeder Gestalt.“


oder

Römer 11, 16:
„16 Ist die Erstlingsgabe vom Teig heilig, so ist auch der ganze Teig heilig; und wenn die Wurzel heilig ist, so sind auch die Zweige heilig.“


Und nun sag ich es mal auf berlinisch: „So eierste dann rum zwischen Gewissen und Pflichtgefühl. Aber das Pflichtgefühl siegt...! (frei nach Otto Reuter) Heute verstehe ich das Durchhaltevermögen meines Vaters besser, aber eben nicht ganz...!

Als ich ihm im Juli 2004 mitteilte und da war er noch einigermaßen klar: „Papa, ich bin morgen beim Amtsgericht Neukölln, um meinen Austritt aus der Neuapostolischen Kirche beurkunden zu lassen“, da sah Vater mich nachdenklich an und murmelte nur: „Mein Junge, dann bist du entwurzelt und heimatlos."

Fortsetzung folgt

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