Dass Luther einen nicht eben geringen Einfluss auf die deutsche Sprache hatte, ist wohl unbestreitbar. Ansonsten scheint es mir keinen Grund zu geben, Luther für irgend etwas zu verehren und zu feiern.
Vieles, was ihm zugeschrieben wird, sind Mythen, so die an die Kirchentür genagelten Thesen oder sein "Hier stehe ich und kann nicht anders". Auch deutsche Bibelübersetzungen gab es zu seiner Zeit schon Dutzende, so z.B. die bereits kommentierte [sic!] Übersetzung des Benediktiners Notker Labeoaus dem 11. Jahrhundert oder auch die von Zwingli schon fünf Jahre vor Luther in volksnahes schweizerisches Deutsch übersetzte heutige Zürcher Bibel. Luther hatte damit bereits hervorragende Vorlagen, die späte Geburt mit den vielen gesellschaftlichen Veränderungen, die Unterstützung der Fürsten und der inzwischen bekannte Buchdruck waren u.a. sein Vorteil.
Über Luthers reformatorische Prinzipien (solus Christus, sola scriptura, sola fide und sola gratia) liesse sich theologisch trefflich streiten, aber das haben andere schon lange zuvor in aller Ausgiebigkeit gemacht

und tun es noch heute. Unbestritten ist, dass Luther seine Übersetzung von Rö 3,28 passend machte, um sein sola gratia biblisch zu begründen. Auch vertraten andere Reformatoren teilweise gleiche Prinzipien, und zwar wie A. Rich explizit bei H. Zwingli aufzeigte, zeitgleich und unabhängig von Luther. Luthers Verständnis von "sola scriptura" als "principium primum" ist inzwischen durch die vor allem von evangelischer Seite betriebene historisch-kritische Bibelforschung ohnehin tief erschüttert worden (Stichwort: Krise des Schriftprinzips).
Als gefährlich betrachte ich Bemühungen, Luthers Judenhass, sein erniedrigendes Frauenbild etc. als "Kind mittelalterlichen Denkens" zu verniedlichen und entschuldigen, ich empfehle dazu erst Vergleiche mit anderen Reformatoren seiner Zeit anzustellen, so z.Bsp. ,um nur einen zu nennen, Thomas Müntzer, der sich früh von Luther abwendete und selbst auch dessen vernichtenden Hass auf sich zog. Luther trug zwar mit Unterstützung der Landesfürsten seinen Teil zur Ablösung von der katholischen Kirche bei, was wiederum mit Hilfe Luthers den Landesfürsten zu sehr viel mehr Macht und Einfluss verhalf. Luther sorgte dank seinem Einfluss auf eben diese Fürsten schon zu Lebzeiten für viel Blutvergiessen, indem er sie gegen die Bauern und den vorstehend genannten ehemaligen Weggefährten und späteren Kontrahenten Mützer aufhetzte, was viele tausend tote Bauern zur Folge hatte.
Hier viele der Hasstiraden Luthers, die eigentlich auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt sein müssten, zu wiederholen, erspare ich mir. In Mynareks "Luther ohne Mythos" finden sich offenbar reichlich derartige Zitate.
Das spätere grauenvolle Erbe Luthers manifestiert sich natürlich nicht nur, aber gerade auch in diesen Worten eines evangelischen Bischofs zur Reichskristallnacht: "
Am 10. November 1938, an Luthers Geburtstag, brennen in Deutschland die Synagogen. [...] In dieser Stunde muß die Stimme des Mannes gehört werden, der als der deutsche Prophet im 16. Jahrhundert einst aus Unkenntnis als Freund der Juden begann, der, getrieben von seinem Gewissen, getrieben von Erfahrungen und der Wirklichkeit, der größte Antisemit seiner Zeit geworden ist, der Warner seines Volkes wider die Juden."
Martin Sasse, evangelischer Landesbischof, am 23.11.1938 im Vorwort zum Kirchlichen Amtsblatt für Mecklenburg
Glücklicherweise werden sich immer mehr Menschen bewusst, wer oder was Luther unbeschönigt war und welche grauenvolle Wirkungsgeschichte das zur Folge hatte. Dass Luther noch in der einen oder anderen Form ge- oder gar verehrt werden kann, ist mir persönlich unverständlich.