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von Gaby » 06.05.2011, 10:46
Ich stimme tergram zu ... es bringst nichts hier eine Schuld verteilen zu wollen.
Allerdings sehe ich es ähnlich wie Micha ... es gehören IMMER zwei dazu.
Im Nachhinein betrachtet habe ich mich natürlich auch gefragt, wie es sein konnte, dass ich mich so habe "um den Finger" wickeln lassen seinerzeit.
Ich bin ja nun nicht neuapostolisch aufgewachsen, sondern katholisch und wurde erst mit 17 bzw. offiziell erst mit 18 FREIWILLIG neuapostolisch.
Und das wirklich sehr aktiv, die Woche war komplett ausgefüllt mit NAK. Normaler Chor, Jugendchor, 3 mal Gottesdienst, Regelmäßig zusätzlich Jugendgottesdienst, Blumenschmuck, 2 mal die Woche ältere Geschwister besuchen und gab es mal Freizeit, wurde die natürlich mit neuapostolischen Jugendlichen verbracht. Ich war also wirklich nicht "lau" zu nennen.
Oft sagen ja Aussteiger, dass nur jemand der "lau" war so relaxt mit der NAK umgehen kann und noch Gutes in ihr sieht.
Wenn heute Aussteiger kein gutes Haar an der NAK lassen können, kann ich das nicht ganz nachvollziehen. Mittlerweile sehe ich die NAK einfach als Teil meiner "Lebensschule".
Auch ich bin der Meinung, es war nicht alles schlecht in der NAK und stoße mit dieser Aussage oft auf Unverständnis ... die KL und das was diese an Lehraussagen verbreitet macht letztlich nicht die ganze NAK aus. Natürlich gibt es auch in der NAK im zwischenmenschlichen Bereich Probleme, aber wo gibt es die nicht?
Fängt man an sich mit den Lehraussagen zu beschäftigen, sich mit Glaubensfragen auseinanderzusetzen und steht man nicht mehr dahinter, ja dann wird es Zeit eine Entscheidung zu treffen. Zumindest wenn man nicht gewillt ist, darüber hinwegzusehen.
Mit 17 waren mir Lehraussagen ziemlich egal.
Aus heutiger Sicht kann ich über manche Lehre der RKK aber auch nur den Kopf schütteln. Und ich kann auch nicht hinter allem stehen, was in den verschiedenen evangelischen Konfessionen gelehrt wird. Ich lebe meinen Glauben heute eigenverantwortlich und lasse mir nicht mehr vorschreiben was ich zu glauben habe und was nicht.
Ein Grund mit das ich neuapostolisch wurde war sicherlich, dass wir frisch umgezogen waren, ich niemanden kannte und dann in der Berufsschule jemanden kennenlernte, der neuapostolisch war.
Hätte ich mein altes Umfeld noch gehabt ... wer weiß, ob ich diesen Schritt dann gegangen wäre? Immer schon religiös sehr interessiert, faszinierte mich die NAK einfach. In der NAK lernte ich, dass sich der Glaube nicht nur auf den wöchentlichen Sonntagsgottesdienst beschränken muss. Das war für mich völlig neu. Es war zudem bequem davon auszugehen, dass >>die NAK<< einem schon den "richtigen" Weg zeigen würde.
Ich glaube im Nachhinein auch nicht, dass nur die NAK für alle Probleme verantwortlich ist, die einem im Leben so unterkommen.
Einmal geht es darum, wie ernst ich so eine Glaubensgemeinschaft nehme.
Heute bin ich davon überzeugt, in JEDER Konfession kann ich Probleme bekommen, wenn ich sie zu wörtlich, zu ernst nehme ... unter anderem kommt es auch darauf an, was man für einen "Seelsorger" bekommt. Hat dieser eine verquere Sicht zur Religion und ich nehme diesen ernst, sind Probleme schon vorprogrammiert. (Stichwort destruktive Religionsvermittelung).
Mich davon zu befreien, ja das hat gedauert ... allerdings war ich diesbezüglich durch die RKK schon vorgeschädigt, daran ist nicht nur die NAK schuld.
Wenn heute ein Aussteiger psychische Probleme bekommt, wird gleich die NAK verantwortlich gemacht. Ich finde, damit macht man es sich zu leicht. Wer sagt, dass man nicht mit den gleichen Eltern in einer z. Bsp. baptistischen, evangelikalen oder katholischen Gemeinde die gleichen Probleme bekommen hätte? Mein Handycap war m.E. die sehr autoritäre Erziehung die ich genossen habe. Da war nicht viel mit selbst entscheiden dürfen. Als ich mit 17 sagte ich werde neuapostolisch, bekam ich von meinem Vater die letze Ohrfeige in meinem Leben ... nun, das erste Mal setze ich meinen Willen durch.
Das hat aber nichts daran geändert, dass ich mich gerne "leiten" ließ ... quasi meinen Vater durch andere ersetzte, die mir sagten wo es langzugehen hat.
Das änderte sich erst mit den Jahren und einem wachsenden Selbsbewusstsein das sich langsam entwickelte.
Manchmal denke ich, wenn jemand die NAK am liebsten für immer verschwunden sehen würde, dass dort auch ein klein wenig der Wunsch mitspielt, dass man sich im Nachhinein in seiner Entscheidung zu gehen bestätigt fühlen will.
Anfangs spukte mir auch noch öfter durch den Kopf "Und wenn sie doch >>recht<< hatten?
Es hat gedauert, bis ich wirklich loslassen konnte.
Heute käme mir nie in den Sinn, die NAK bei jemandem schlecht zu reden, der mit seinem Glauben in der NAK rundherum zufrieden ist.
Werde ich gefragt, warum ich ausgetreten bin (die Kirchensteuer kann ja nicht der Grund gewesen sein ... ich kenne viele, die mit der NAK zwar nichts mehr am Hut haben, aber nie auf den Gedanken kämen auszutreten) antworte ich ehrlich und begründe dies auch.
Aber warum soll ich jemanden verunsichern, der in seiner Gemeinde absolut zufrieden ist, mit dem neuapostolischen Glauben keinerlei Probleme hat?
Mittlerweile stimme ich Mahatma Gandhi zu, der sagte:
>>Die Religion ist ein einzelner Baum mit vielen Zweigen. Sieht man nur die Zweige an, ist man geneigt zu glauben, es gäbe viele Religionen. Doch sieht man den ganzen Baum an, versteht man, dass es nur eine einzige Religion gibt.<<
Ich sehe in der NAK das Problem, dass einige in die evangelische Richtung wollen, andere eher in die katholische ... und ein Großteil möchte, es solle doch alles beim Alten bleiben. Ich glaube nicht, dass die NAK diesen Spagat hinbekommen kann ... entweder, man geht also, um das zu bekommen was man möchte (denn letztlich gibt es das ja schon), oder man findet sich mit den Begebenheiten in der NAK ab. Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht.
Nur sehe ich auch nicht, warum ich der NAK ihre Daseinsberechtigung absprechen soll ... dagegen "den Finger ab und zu in die Wunde zu legen" habe ich natürlich nichts ... gerade was die destruktive Religionsvermittelung betrifft, die den Menschen das Leben unnötig schwer machen kann.