Kindlich-naiv klingende Fragen führen auf einfachem Weg zum Kern einer Sache. Man kann dieses Mittel auch als Erwachsener benutzen und kommt zu überraschenden Ergebnissen. Die Methode eignet sich besonders, um "Brimbamborium" aller Art zu entlarven - wenn etwas als besonders (ge)wichtig, gar göttlich, dargestellt wird, was dem Anspruch nicht standhalten kann. (,,,) Da ist es durchaus erlaubt, provozierend-kindlich-naiv zu fragen "Und wie war/ist das ganz genau?". Das fragende Kind kommt gelegentlich zu der überraschenden Erkenntnis "...aber er hat ja gar nichts an!"
Ich halte das so - wie hier dargestellt - nicht für richtig. Es gibt Situationen, in denen das so ist; es ist aber nicht immer so. Der Satz "Kindlich-naiv klingende Fragen führen auf einfachem Weg zum Kern einer Sache" ist deshalb zu apodiktisch: zu bestimmt, zu eindeutig, zu entschieden, zu kategorisch usw.
Wir haben es doch mit diesem Problem zu tun: Wenn Menschen über Glaubensfragen sprechen, dann können sie "ihren Glauben" (oder auch Unglauben) in aller Subjektivität bekunden. Das ist dann manchmal äußerst schlicht. Sie können aber auch versuchen, die Fragen - die Glaubensfragen - theologisch zu durchdenken. Das können nicht alle, aber manche können es - freilich in unterschiedlichem Maße. Der wissenschaftliche Theologe, der lebenslang auf dem Gebiet Theologie arbeitet, denkt tiefer und weiter als der "normale Gläubige". Der christliche Theologe steht dann vor einer Aufgabe, die - ich zitiere einmal aus einer Vorlesung - so beschrieben wird: "Christliche Theologie hat das Konkrete der Offenbarung, auf der sie basiert, in dessen unwiederholbarer Einzigartigkeit - also diese individuelle Person, Jesus von Nazareth - als allgemeingültige Offenbarung für potentiell alle Menschen nicht etwa nur zu behaupten und zu betonen, sondern einsehbar darzutun." Zugleich aber - ich zitiere wieder aus einer Vorlesung - bleibt der christliche Glaube "unableitbar und auch unerklärbar aus derjenigen Wirklichkeit, innerhalb derer er sich ereignet." Diese Wirklichkeit lässt sich - wie jeder weiß - unterschiedlich auslegen. Für den Theologen stellt sich dabei die Aufgabe, seine jeweilige Sicht argumentativ zu stärken. Der theologisch unbedarft gläubige Menschen muss das nicht und kann das in der Regel auch nicht - er glaubt oder glaubt nicht und weiß oft gar nicht, was er glaubt bzw. nicht glaubt. Und hier kommen wir an einen - nach meiner Erfahrung - sehr wichtigen Punkt: Am Ende der Theologie steht nämlich auch nichts anderes als das Angewiesensein auf Glauben. Ich habe das vor einigen Monaten erfahren. Ein 20 Jahre älterer Freund ist von uns gegangen. Der Mann hat vier Jahrzehnte Theologie gelehrt. Als ich mit ihm über den Tod gesprochen habe, sagte er: "Am Ende bleibt uns nichts als die Hoffnung, dass wir nicht tiefer fallen als in die Hand Gottes und in seiner Liebe geborgen sind." Wenn dann jemand fragen würde, ob Gott sich auch die Hände gewaschen hat, dann würde ich sagen, dass diese Frage dümmlich-naiv ist.
In unserer Lebenswirklichkeit ist es nun einmal so, dass die gläubigen oder glaubenden Menschen auf ganz unterschiedlichen Niveaus glauben und von ihrem Glauben sprechen. Was glauben Sie, was ich vor einigen Tagen erlebt habe, als ich in Polen abends einige katholische Messen besucht (beobachtet) habe. Oder voriges Jahr im kath. Allgäu. Beides war unglaublich. Und selbstverständlich haben auch Menschen in der Neuap. Kirche ihre "eigene Sicht".
Wenn die gestellten Fragen dümmlich-naiv sind, wie hier in der Diskussion vorgetragen wurde, dann müsste es doch ein Leichtes sein, sie zu beantworten, sollte man meinen. Ich sehe keine Antworten
Das verstehe ich nicht. Wenn das richtig wäre, müsste doch derjenige, der die Fragen stellt, selber Antworten geben können. Wir müssen hier beachten, dass es Fragen gibt, die u.a. deshalb dümmlich-naiv sind, weil sie gestellt werden, obwohl klar ist, dass sie nicht beantwortet werden können. Das heißt aber nicht, dass alle Fragen, die gestellt werden und nicht beantwortet werden können, deshalb dümmlich-naiv sind. Beispielsweise bekommen wir auf Fragen zur Gerechtigkeit angesichts mancher Lebensschicksale in ganz vielen Fällen keine Antworten; wir wissen nicht, ob es eine jenseitige "göttliche Gerechtigkeit" gibt. Aber die Frage bleibt - und das ist gut.
Und frage weiter. Naiv, entlarvend. Und ein bißchen provozierend.
Fragen Sie. Aber bedenken Sie, dass auch Fragen entlarvend sein können und dass Sie auf viele Fragen a) keine Antwort bekommen und b) keine Antwort geben können, die andere überzeugt.