minna hat geschrieben:Also bitte ....

Hallo Minna,
ich kann diese deine Argumente nachvollziehen und deine Schlussfolgerung ist somit erklärlich. Zudem freue ich mich für deine Familie über diese positive Entwicklung.
Meine Eltern haben diese Zeit anders erlebt.
Meine Mutter war mit ihren Eltern nach Deutschland geflohen. Ihr Vater war
nach Kriegsende gefangen genommen worden. Er ist in russischer Gefangenschaft (in Deutschland) an den Lagerbedingungen krepiert.
Ihre Mutter war schwer krank. Sie ist alsbald daran gestorben. Ihre letzten Lebensjahre durfte sie in einer halbverfallenen Gartenlaube verbringen.
Meine Mutter verbrachte ihre Kindheit und Jugend bei Pflegeeltern und in Heimen. Zu manchen Zeiten (nach dem Krieg) diente Streusalz als Nahrungsergänzung.
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Der Vater meines Vaters wurde ebenfalls in den Nachkriegsjahren von den Russen abgeholt und kam nicht wieder. Es war eine sehr schwere Zeit für meine Großmutter. Keine Möglichkeit, zwei Kindern restlos den Hunger zu nehmen.
Als die beiden Anfang der 60er heirateten litten sie nicht mehr Hunger. Dann waren es vier Hände, die zwei Münder "stopfen" konnten.
Durch viele Gespräche im Bekannten-, Verwandten- und Geschwisterkreis habe ich erfahren, dass ähnliche und auch schlimmere Schicksale von unzählig vielen Menschen zu tragen waren. Der Geschwisterkreis (NAK) war ja mal sehr groß. So bestand die Möglichkeit, sich mit den Älteren über ihre Vergangenheit zu unterhalten.
Und wir wissen alle, dass der 2. Weltkrieg Millionen an Menschenopfer gekostet hat. Es ist also gar nicht so schwer sich vorzustellen, dass ähnliche Verhältnisse sehr verbreitet waren.
Meine Mutter sagt immer: Wer als Flüchtling auch nur annähernd die gleiche Anerkennung haben wollte wie ein Einheimischer, musste sehr viel mehr leisten.
Und die gesundheitlichen Folgen der Mangelernährung sind bei ihr heute noch ausgeprägt.
Und es ist müßig darüber zu diskutieren, ob diese Leute psychische Beeinträchtigungen dadurch erfahren haben.
Das die Siegermächte USA, England und Frankreich Geld in ihre Besatzungszone gepumpt haben, dürfte hinlänglich bekannt sein. Sie taten es, damit Deutschland schneller die Reparationen zahlen konnte.
Die Russen hatten selber kein Geld und haben deshalb die sowjetisch besetzte Zone nur noch ausgequetscht.
Daher kam die unterschiedlich starke Entwicklung der Wirtschaftsleistung in Ost und West.
Unser menschliches Gehirn funktioniert tatsächlich so, dass es zudem schlechte und belastende Erfahrungen aus der Vergangenheit verdrängt. Völlig normal und menschlich.
Deswegen kommt es nicht als Selbstläufer, dass Leid anderer Menschen wahrnehmen zu können. Wir haben alle selbst genug mit unseren alltäglichen Problemen zu tun.
LG Boris