#65
Beitrag
von Kati » 17.07.2017, 15:31
Liebe/r Future,
Ich schreibe eher selten, weil für mich das Thema NAK abgehakt ist. Aber ich lese noch regelmäßig in den entsprechenden Seiten. Dabei fällt mir hier auf, dass du jetzt den dritten Post absetzt, ohne eine Reaktion aus dem Forum erhalten zu haben. Magst du meine Ansicht dazu lesen?
Vorweg: ich kenne weder die Gemeinde, noch das Gebäude noch die Entscheidungsträger in diesem Fall. Von außen stellt sich mir die Lage so da:
Es bestand bis vor kurzem ein Kirchengebäude, das von den Geschwistern vor 40 Jahren im damaligen Staat der DDR in viel Eigenarbeit und mit eigenen finanziellen und materiellen Mitteln restauriert worden war. Wie das eben so war in der DDR, wo Bauvorhaben nicht so einfach durchzuführen waren wie in der BRD. Diese Kirche ist den Geschwistern natürlich aus Herz gewachsen. Sie war, so verstehe ich es, nicht nur ein Gebäude, sondern Identifikationssymbol und vermutlich durch die politischen Gegebenheiten und Prägungen noch viel mehr "Heimat" als wir Wessis uns das vorstellen können. Nun sind 40 Jahre seit der letzten Renovierung verstrichen. Zwischenzeitlich haben sich auch in den Apostelbezirken große Veränderungen ergeben. Es hat viel "westlichen" Einfluss gegeben, der sicher nicht von allen begrüßt und schon gar nicht gewollt wurde.
Nach 40 Jahren stellt sich die Frage: Viel Geld in die Hand nehmen, um ein fast 100 jährigem Gebäude erneut den heutigen Standards entsprechend zu renovieren? Oder abreißen und neu bauen? Beide Varianten werden ihre Vor- und Nachteile haben, sprich, es gibt hier kein wirkliches "richtig" oder "falsch". Die Kirchenleitung hat sich für den Abriss und Neubau entschieden. Daran kann ich nichts Anrüchiges finden. Betriebswirtschaftlich ist das vermutlich die vernünftigere Lösung. Aber: hierüber lässt sich streiten. Aber es muss halt eine Entscheidung getroffen werden. Diese wurde getroffen. Punkt.
Dabei wäre es natürlich gut gewesen, wenn die Entscheidungsträger die Historie dieser wohl besonderen Gemeinde in der Vorbereitung und in der Kommunikation des Prozesses mit berücksichtigt hätten. Anscheinend hat es mit der Kommunikation wohl nicht so ganz geklappt, da sonst ja die Wogen nicht so hoch geschlagen wären. Vor allem darf nicht das Gefühl bei den Betroffenen entstehen, dass ihre ehrenamtliche Arbeit über die vielen Jahrzehnte nicht wertgeschätzt worden wäre.
Hier wäre von der KL und den Entscheidern sicher mehr Sensibilität nötig gewesen. Man hätte unter Umständen auch gute Maßnahmen treffen können, um die Erinnerung an das Vergangene aufrechtzuerhalten, z.B indem man bestimmte Steine oder Gebäudeteile in das neue Gebäude einarbeitet oder indem eine Chronik erstellt wird, etc., so dass zumindest die Erinnerung an das Aufgebaute als Fundament für das Neue dienen könnte. Hier hätten die Verantwortlichen sicher einiges Besser machen können.
Aber auch von den Geschwistern kann man doch erwarten, dass sie sich bewegen! Entschuldigung, die Renovierung ist 40! Jahre her. Zwischenzeitlich haben sich doch nicht nur die Anforderungen an Gebäude, sondern auch an das Kirchenleben stark verändert. Man kann sich doch nicht allein deswegen einer Veränderung widersetzen, weil man ein Lebensgefühl von vor 40 Jahren konservieren möchte. Daher glaube ich, dass der jetzige Konflikt um den Neubau nur ein Nebenschauplatz ist. Geht es nicht viel mehr darum, dass man sich von der kommerzialisierten von-oben-herab-westlich-geprägten KL schon lange abgehängt fühlt? Eventuell spielen hier auch die oft negativen Erfahrungen staatlicherseits der 40-80 Jährigen nach der Übernahme der Wiedervereinigung eine Rolle - die fehlende Anerkennung von Renten, Arbeitszeiten, der Verlust von Jobs, die Abwanderung, quasi der Verlust der gesellschaftlichen und politischen Identität. Und nun bricht auch noch die letzte sicher geglaubte Festung weg: Die Kirche, das so geliebte "eigene Haus" in dem man sich sicher glaubte vor allen Anfeindungen des Lebens. Weil irgendwelche Fuzzis, die keine Ahnung haben, einfach vom Schreibtisch her eine Entscheidung treffen. Das tut weh, ohne Frage. Und doch: auch man selbst muss sich bewegen. Sich hinterfragen. Sich neu finden. Und furchtlos in die Zukunft blicken.
Ich glaube, Gustav Mahler hat den Spruch geprägt: Tradition ist nicht die Anbetung der Asche sondern die Weitergabe des Feuers.
Insofern kann ich die Fragen, die du, Future, hier stellst, nicht ganz nachvollziehen. Ich hoffe aber, dass dir meine Gedanken dazu Anregung sein können, dass du dir deinem Namen entsprechend eine gute Zukunft aufbauen kannst - in welcher Kirche, Gemeinde oder wo auch immer.
Das schreibt eine, die sich schon lange aus der NAK entfernt und aus diesem oft schmerzhaften Prozess viel für das weitere Leben und eine angstfreie Zukunft gelernt hat.
Alles Gute für dich und Dessau
Kati